Schwerte. Mit dem Friedensgruß, „Salam aleikum“, übersetzt Friede sei mit dir, stimmten Samuel Seifert (Violine/Ziehharmonika) und Tilmann Löser (Piano) von den „Rozhinkes“ instrumental auf ein wunderbares musikalisches Erlebnis in der Sommerkonzertreihe am Sonntag in der Rohrmeisterei ein.
Die Rozhinkes, auf Deutsch: Rosinen, ein Trio, das sich 2011 gründete, hat sich der Klezmer Musik verschrieben. Für die erkrankte Antje Hoffmann, sprang Karolina Trybala („Ich bin das polnische Rosinchen“), eine ausgebildete Jazzsängerin, die schon des Öfteren mit den Rozhinkes auf der Bühne stand, ein. Es wurde ein leidenschaftlicher, facettenreicher Konzertabend, der das Publikum beseelte und Beifallsstürme entfachte.
„Klezmer ist jiddische, osteuropäische Musik mit einem schier unerschöpflichen Repertoire“, erklärte Trybala, die sich zwischen Entertainment und einem weiten Spektrum ihres Gesangs virtuos bewegte. Die Leidenschaft für die Klezmar Musik war dem sympathischen Trio anzusehen und vor allem hör- und spürbar. Charmant und augenzwinkernd führten die drei Musiker die zahlreichen Gäste durch das Programm.
Publikum bildete polnischen Dorffrauenchor
Ein temperamentvolles, harmonisches Zusammenspiel boten Samuel Seifert, Tilmann Löser und Karolina Trybala auf ihren verschiedenen Klangquellen und den traditionellen Klangfarben. Sie verzauberten mit der Klarheit, wie sie ihre Musik spielten und dem reichen Klangspektrum ihrer Instrumente.
Die Klezmermusiker würzten ihre jüdische Folklore mit Elementen des Tangos, Boss Nova, Swing und Jazz. Das Publikum erlebte einen musikalischen Höhepunkt nach dem nächsten. Und sie hatten ihre Gäste im Griff. „Ich bitte das Publikum mit einzustimmen. Ich brauche einen polnischen Dorffrauenchor“, forderte Karolina Trybala zum Vortrag eines polnischen Wiegenliedes auf. Und das Publikum ließ sich nicht lange bitten.
![Das Trio Foto: Christel R. Radix]()
Samuel Seifert tauschte bei „Ale Brider“ die Violine gegen eine Ziehharmonika. Foto: Christel R. Radix
In dem Programm, brachten die „Rozhinkes“ eindrucksvoll die vielen Gefühlsregungen, die die Klezmar Musik in sich vereinigt zu Gehör. „Und der Regen rinnt“, ein von der jüdischen Schriftstellerin Ilse Weber in Theresienstadt geschriebenes Lied, das an ihren Sohn erinnert, der im Rahmen der Kinderlandverschickung in England in Sicherheit gebracht wurde und im Gegensatz zu ihr überlebte, ging unter die Haut. Das sich „im Klezmar so viel verbindet“, wurde einmal mehr deutlich mit der Interpretation des Liedes „Bei Mir Bistu Shein“, das 1932 für ein jiddisches Musical geschrieben wurde und im deutschsprachigen Raum unter dem Titel „Bei mir bist du schön“ bekannt ist, und mit dem das Trio beswingt in die Pause entließ.
Zum Wegträumen schön
Weitere Höhepunkte waren sicherlich im zweiten Teil die Verbindung von Klezmar mit Chopin. Polnische Mazurken aus der Feder des polnisch-französischen Komponisten, erklangen zum Wegträumen schön. Mehrere Instrumental-Stücke, ein Medley, in dem auch ein französisches Chanson integriert war, oder der jiddische Folksong „Ale brider“, der von einem stimmgewaltigen Chor in der Halle 2 beim Refrain oy, oy, oy, oy unterstützt wurde, spiegelte die überbordernde Freude an der Musik des Ensembles und den Zuhörern wider.
![Tilmann Löser (Piano) und Samuel Seifert (Violine) legten eine schwindelerregende Virtuosität an den Tag. Foto: Christel R. Radix]()
Tilmann Löser (Piano) und Samuel Seifert (Violine) legten eine schwindelerregende Virtuosität an den Tag. Foto: Christel R. Radix
Ja, und eine Einladung an das Publikum gab es auch: Zur Anmoderation des Liedes „Wir ziehen nach Jerusalem“, fügte Tilmann Löser hinzu: „Wir auch. Wenn Sie zufällig am 8. Oktober in Jerusalem sind, sind Sie herzlich in die Erlöserkirche zu unserem Konzert eingeladen.“
Es war ein Ausnahmekonzert in der Reihe, die von der Konzertgesellschaft Schwerte, der Katholischen Akademie und der Rohrmeisterei veranstaltet wird. Ohne Zugaben, durfte das Ensemble die Bühne nicht verlassen. Die Zuhörerschaft, die nicht nur orkanartigen Beifallsstürme nach ausnahmslos jedem Stück spendeten, standen in der Pause und am Ende des Konzerts Schlange, um die Lieder der Rozhinkes auf CD gebannt mit nach Hause nehmen zu können.
Und der ungebetene Gast im Foyer, eine Grille oder ein Heimchen, ließ sich von der wunderschönen Musik nicht beeindrucken und veranstaltete ihr/sein eigenes Konzert.